Freitag, 14. Dezember 2018

Die wahre Geschichte von Knecht Ruprecht




Eine frohe Weihnachtszeit
Die wahre Geschichte vom Knecht Ruprecht (Nach Sigrid Früh)
Wenn im Dezember die Winterstürme brausen beginnt zur Wintersonnenwende die Weihnachtszeit.  An den heiligen 12 Tagen, der Zeit zwischen Weihnachten und dem Drei-Königstag am 6. Januar, glaubten in früheren Zeiten und auch noch heute die Menschen, dass Frau Holle zu den Menschen komme. Sie, die über die Natur Macht hat, würde die neue Sonne, die längeren Tage bringen und die bösen Wintergeister verjagen. Mancherorts nennt man sie auch Perchta oder Berchta oder einfach die Heilige Frau, die weiße Frau. In diesen Raunächten suchten und riefen die Menschen die Heilige Frau.
Einmal nun war der Wilde Jäger mit seinem Gefolge im Mittwinter unterwegs als ein Pferd des Gefolges ein Eisen verlor und sein Reiter mit ihm und seinem Hund zurückbleiben musste. Als er versuchte, den hohen Zug einzuholen, verirrte er sich im Wald.
Endlich fand er eine Hütte mitten im Wald. Ganz allein stand sie da und eine arme Witwe mit ihren 5 Kindern hauste darin. Der Knecht war ein alter, raubeiniger Geselle mit einem langen grauen Bart. Er stieß die Tür unwirsch auf.  Ohne ein Wohin  oder Woher polterte er in die Stube und sein Hund sprang auch gleich die Kinder an, so dass eines hin fiel und sich verletzte.
Ja, er trat einfach ein und verlangte barsch nach Speis und Trank. Wie ihr euch vorstellen könnt, erschrak die arme Frau. Sie  brachte dem Fremden sofort was sie noch auf dem Herd hatte, dazu ein Brot, alles was sie hatte, denn sie wollte ihn zufrieden stellen. Der Reitersknecht aß und trank streckte sich auf der Ofenbank aus, lehnte sich an die Wand und versuchte alsbald ein wenig zu schlafen.
Die Frau hatte ein Lichtlein auf den Tisch der Kinder gestellt, das flammte und knisterte, und nach dem dunklen Tag und der langen Zeit draußen in Regen und Wind, waren dem Knecht die Augen empfindlich geworden. Er drehte den Kopf zur Seite und schloss die Augen. Aber das Licht schien durch die Augenlieder hindurch.
Da sprach er unwirsch zu der Mutter: „Lösche das Licht! Es tut mir in den Augen weh. Siehst du nicht, dass ich schlafen will?“ Die Mutter schüttelte den Kopf. Und obgleich sie große Furcht hatte, sagte sie: „Nein, löschen darf ich es nicht. Es winkt der lieben himmlischen Frau, damit das Sonnenlicht heimkommt und der Winter vorübergeht.“ Dagegen wagte der Knecht nichts zu sagen. Denn er wusste, dass auch sein Herr, der Wilde Jäger die Himmlische Frau suchte. So brummte er nur und wandte den Kopf ab.
Die begannen leise zu singen, und der Knecht verlangte rau: „ Frau, sag den Kindern, dass sie das Singen unterlassen sollen, ich bin müde und will schlafen!“
Aber die Mutter verbat den Kindern mit ihren zarten Stimmchen nicht das Singen. Obwohl sie nun doppelt so viel Furcht hatte sagte sie: . „Hörst du denn nicht, dass es ein Lied zur Weihnacht ist? Ach, wie käme die himmlische Frau, das Licht zu uns zu bringen, wenn wir sie nicht mit dem Singen der Kinder riefen?“
Was sollte der wilde Knecht da widersprechen, da sie doch solch einen Namen nannte? Also legte er sich wieder zurück und versucht erneut einzuschlafen.

Als die Frau aber dann ging, um die Tür einen Spalt zu öffnen, obwohl es bitterkalt draußen war und die Schneeflocken hineintanzten, der Rauch sich im Herd aufwirbelte, geriet der Knecht außer sich: „Sag Weib, was hast du denn jetzt vor? Du weißt doch, dass ich friere und schlafen will...“ Aber die Frau entgegnete ganz sanft: „Die weißte Frau muss doch die Kinder hören und das Licht sehen, ich fürchte sie könnte sonst vorübergehen.“
Als der Knecht nun so viel vernahm, von der heiligen Frau, die sein Herr auf langen Ritten so vergeblich suchte, wunderte er sich und kam ins Grübeln. Er blinzelte sogar heimlich zum Türspalt, ob nicht wirklich eine fremde Frau vorbei käme. Aber er sah nur das Gesicht der Mutter, das so hoffnungsvoll nah draußen schaute.
Da rührte sich sein Herz und seine rauen Worte taten ihm leid. So wollte er seine Grobheiten an den Kindern wieder gutmachen. Und weil das eine Kind, das sein Hund umgeworfen hatte, immer noch am Knie blutete, stand er auf, trat hinzu und strich ihm über die Wunde. Sogleich hörte sie auf zu rinnen.
Die Kinder hatten, als er nahe kam, aus Furcht die Köpfe niedergebeugt, ohne mit dem Singen einzuhalten. Nun sahen sie, dass der fremde Mann es gut meinte mit ihnen und sie fassten Vertrauen zu ihm.
Eines der Kinder, das großen Hunger hatte, fragte: „ Darf ich ein Stück von dem Brot haben, dass du übrig ließt?“ Da brach er von dem Laib ein Stück ab. Er machte sich sogar die Mühe und besprach das Brot.  Da wurde es so süß wie Kuchen und schmeckte den Kindern.
Weil das Lied nun wirklich zu Ende war trauten sich die Kinder näher zu dem wilden Knecht. Ein kleines Mädchen zeigte ihm ein Pferdchen, dem fehlten Kopf und Schwanz.
„Kannst du es mir heil machen?“ fragte das Mädchen. „Ohoho, wenn es weiter nichts ist“, lachte der Mann und ging daran beides wieder anzuflicken.
Währenddessen dachte er an seinen Herrn, der auch in der Heiligen Weihnacht die Menschen beschenkt. Und er sah auf die Mutter, die ihm zuschaute und deren Augen glänzten, ein Antlitz, wie man es nur von der heiligen Frau bekommt.
Da gefiel es ihm eifrig zu helfen und als ein Knabe einen Hund haben wollte, knetete er ihm gleich einen, der wahrhaftig laufen und bellen konnte.
Wie schrien da die Kinder und hüpften und wünschten sich gleich alle ein Spielzeug. Der Knecht musste seine Finger schon fleißig gebrauchen. Ein Geschenk nach dem anderen sprang daraus hervor, Puppen und Bälle für die Mädchen und Wagen und Reiter für die Jungen und ich weiß nicht was noch alles. Und je mehr die Kinder lachten,  und je dankbarer die Frau ihm zusah, umso eifriger wurde der Mann.
Als er einen Apfel fand, den die Frau verwahrt hatte, machte er gleich einen ganzen Tisch voller Äpfel daraus. Und als ein Junge ihm zwei Nüssen zeigte, mit denen er spielte, wusste er es einzurichten, dass also bald ein ganzer Sack voll in der Stube stand.
Denn wenn er auch nur ein Knecht des wilden Jägers war, so wusste er doch mit allerhand guten Künsten Bescheid.
Wie der Knecht nun mitten im Werk war, zog von draußen noch einmal eine furchtbare Sturmböe heran.  Und gerade als die Frau sich doch zu fürchten begann und die Türe schließen wollte, sprang sie krachend auf. Der wilde Jäger trat über die Schwelle und hinter ihm ein allmächtiges Gedränge von Herren und holden und unholden Gesellen.
Die lachten dröhnend, als sie den Alten mitten unter den Kindern sahen, das Spielzeug in der Hand.
„Was tust du hier?“ murrte der Wilde Jäger.
Der Knecht, der sich zunächst gefreut hatte seine Leute wieder zu sehen, merkte erschrocken, dass er sich rechtfertigen sollte.
„Ach“, sagte er  „das ist schwer zu erklären. Seht, Herr, die Kinder sagen die himmlische Frau herbei. Wie mich dünkt, für uns alle. Man soll doch solches Singen nicht zu gering schätzen und es belohnen, dachte ich mir.“
Die Witte hob flehend die Hände in die Höhe: „Er war so gut zu den Kleinen.“ Rief sie fürbittend.
Der Wohljäger sah sie an, aber es war sogleich, als schaute er über sie hinweg. Dann wandte er sich seufzend dem Reitsknecht zu. „So bleib noch“, befahl er ihm, „und geh auch in die anderen Häuser und lass die Kinder singen. Vielleicht, dass sie, die wir suchen, sich doch rascher zu uns wendet, wenn sie es hört.
Da freute sich der Knecht, Ruprecht hieß er, und ist dem auch gehorsam gefolgt.
Und er geht noch heute jährlich durch die Häuser, um die guten, singenden Menschen zu beschenken.
Aber auf Griesgrame und Besserwisser, auf Faulpelze und Hagestolze lässt er Ruten und Plagen fallen. Denn er ist ein alter Reiter und er fackelt nicht lange.

Donnerstag, 2. August 2018

Blaubart



Blaubart Märchen
Ein Märchen der Brüder Grimm

In einem Walde lebte ein Mann, der hatte drei Söhne und eine schöne Tochter. Einmal kam ein goldener Wagen mit sechs Pferden und einer Menge Bedienten angefahren, hielt vor dem Haus still, und ein König stieg aus und bat den Mann, er möchte ihm seine Tochter zur Gemahlin geben. Der Mann war froh, dass seiner Tochter ein solches Glück widerfuhr, und sagte gleich ja; es war auch an dem Freier gar nichts auszusetzen, als dass er einen ganz blauen Bart hatte, so dass man einen kleinen Schrecken kriegte, sooft man ihn ansah. Das Mädchen erschrak auch anfangs davor und scheute sich, ihn zu heiraten, aber auf Zureden ihres Vaters willigte es endlich ein. Doch weil es so eine Angst fühlte, ging es erst zu seinen drei Brüdern, nahm sie allein und sagte: "Liebe Brüder, wenn ihr mich schreien hört, wo ihr auch seid, so lasst alles stehen und liegen und kommt mir zu Hülfe." Das versprachen ihm die Brüder und küssten es. "Leb wohl, liebe Schwester, wenn wir deine Stimme hören, springen wir auf unsere Pferde und sind bald bei dir." Darauf setzte es sich in den Wagen zu dem Blaubart und fuhr mit ihm fort. Wie es in sein Schloss kam, war alles prächtig, und was die Königin nur wünschte, das geschah, und sie wären recht glücklich gewesen, wenn sie sich nur an den blauen Bart des Königs hätte gewöhnen können, aber immer, wenn sie den sah, erschrak sie innerlich davor. Nachdem das einige Zeit gewährt, sprach er: "Ich muss eine große Reise machen, da hast du die Schlüssel zu dem ganzen Schloss, du kannst überall aufschließen und alles besehen, nur die Kammer, wozu dieser kleine goldene Schlüssel gehört, verbiet ich dir; schließt du die auf, so ist dein Leben verfallen." Sie nahm die Schlüssel, versprach ihm zu gehorchen, und als er fort war, schloss sie nacheinander die Türen auf und sah so viel Reichtümer und Herrlichkeiten, dass sie meinte, aus der ganzen Welt wären sie hier zusammengebracht. Es war nun nichts mehr übrig als die verbotene Kammer, der Schlüssel war von Gold, da gedachte sie, in dieser ist vielleicht das Allerkostbarste verschlossen; die Neugierde fing an, sie zu plagen, und sie hätte lieber all das andere nicht gesehen, wenn sie nur gewusst, was in dieser wäre. Eine Zeitlang widerstand sie der Begierde, zuletzt aber ward diese so mächtig, dass sie den Schlüssel nahm und zu der Kammer hinging: "Wer wird es sehen, dass ich sie öffne," sagte sie zu sich selbst, "ich will auch nur einen Blick hineintun." Da schloss sie auf, und wie die Türe aufging, schwamm ihr ein Strom Blut entgegen, und an den Wänden herum sah sie tote Weiber hängen, und von einigen waren nur die Gerippe noch übrig. Sie erschrak so heftig, dass sie die Türe gleich wieder zuschlug, aber der Schlüssel sprang dabei heraus und fiel in das Blut. Geschwind hob sie ihn auf und wollte das Blut abwischen, aber es war umsonst, wenn sie es auf der einen Seite abgewischt, kam es auf der andern wieder zum Vorschein; sie setzte sich den ganzen Tag hin und rieb daran und versuchte alles Mögliche, aber es half nichts, die Blutflecken waren nicht herabzubringen; endlich am Abend legte sie ihn ins Heu, das sollte in der Nacht das Blut ausziehen. Am andern Tag kam der Blaubart zurück, und das erste war, dass er die Schlüssel von ihr forderte; ihr Herz schlug, sie brachte die ändern und hoffte, er werde es nicht bemerken, dass der goldene fehlte. Er aber zählte sie alle, und wie er fertig war, sagte er: "Wo ist der zu der heimlichen Kammer?" Dabei sah er ihr in das Gesicht. Sie ward blutrot und antwortete: "Er liegt oben, ich habe ihn verlegt, morgen will ich ihn suchen." - "Geh lieber gleich, liebe Frau, ich werde ihn noch heute brauchen." - "Ach ich will dir's nur sagen, ich habe ihn im Heu verloren, da muss ich erst suchen." - "Du hast ihn nicht verloren," sagte der Blaubart zornig, "du hast ihn dahin gesteckt, damit die Blutflecken herausziehen sollen, denn du hast mein Gebot übertreten und bist in der Kammer gewesen, aber jetzt sollst du hinein, wenn du auch nicht willst." Da musste sie den Schlüssel holen, der war noch voller Blutflecken. "Nun bereite dich zum Tode, du sollst noch heute sterben," sagte der Blaubart, holte sein großes Messer und führte sie in den Haus-Flur. "Lass mich nur noch vor meinem Tod mein Gebet tun," sagte sie. "So geh, aber eil dich, denn ich habe keine Zeit lang zu warten." Da lief sie die Treppe hinauf und rief, so laut sie konnte, zum Fenster hinaus: "Brüder, meine lieben Brüder, kommt, helft mir!" Die Brüder saßen im Wald beim kühlen Wein, da sprach der jüngste: "Mir ist, als hätte ich unserer Schwester Stimme gehört; auf! wir müssen ihr zu Hülfe eilen!" Da sprangen sie auf ihre Pferde und ritten, als wären sie der Sturmwind. Ihre Schwester aber lag in Angst auf den Knien; da rief der Blaubart unten: "Nun, bist du bald fertig?" Dabei hörte sie, wie er auf der untersten Stufe sein Messer wetzte; sie sah hinaus, aber sie sah nichts als von Ferne einen Staub, als kam eine Herde gezogen. Da schrie sie noch einmal: "Brüder, meine lieben Brüder! kommt, helft mir!" Und ihre Angst ward immer größer. Der Blaubart aber rief: "Wenn du nicht bald kommst, so hol ich dich, mein Messer ist gewetzt!" Da sah sie wieder hinaus und sah ihre drei Brüder durch das Feld reiten, als flögen sie wie Vögel in der Luft, da schrie sie zum dritten Mal in der höchsten Not und aus allen Kräften: "Brüder, meine lieben Brüder! kommt, helft mir!" Und der jüngste war schon so nah, dass sie seine Stimme hörte: "Tröste dich, liebe Schwester, noch einen Augenblick, so sind wir bei dir!" Der Blaubart aber rief: "Nun ist's genug gebetet, ich will nicht länger warten, kommst du nicht, so hol ich dich!" - "Ach! nur noch für meine drei lieben Brüder lass mich beten." Er hörte aber nicht, kam die Treppe heraufgegangen und zog sie hinunter, und eben hatte er sie an den Haaren gefasst und wollte ihr das Messer in das Herz stoßen, da schlugen die drei Brüder an die Haustüre, drangen herein und rissen sie ihm aus der Hand, dann zogen sie ihre Säbel und hieben ihn nieder. Da ward er in die Blutkammer aufgehängt zu den anderen Weibern, die er getötet, die Brüder aber nahmen ihre liebste Schwester mit nach Haus, und alle Reichtümer des Blaubarts gehörten ihr.

Mittwoch, 4. Juli 2018

Der Wechselbalg


Der Wechselbalg



Irische Elfenmärchen (Jakob und Wilhelm Grimm)



Eine junge Frau, Marie Scannell, lebte mit ihrem Ehemann noch nicht viele Jahre zu Castle Martyr. Eines Tages zur Herbstzeit war sie mit andern hinausgegangen, um beim Weizenbinden behilflich zu sein, sie legte ihr Kind, das sie noch stillte, in eine Ecke des Feldes, und glaubte, es wäre da, in ihren Mantel eingewickelt, auf das Beste versorgt.
Als sie mit ihrer Arbeit zu Ende war, kehrte sie zu dem Kinde zurück, aber an dessen Stelle fand sie in dem Mantel ein Geschöpf, das nicht halb so groß war und ein solches Zetergeschrei ausstieß, dass man es eine Meile weit hören konnte. Sie vermutete gleich, was möchte vorgefallen sein und ohne sich einen Augenblick aufzuhalten, nahm sie es in den Arm und indem sie behauptete, dass sie ganz vernarrt in das Kind sei, brachte sie es zu einer weisen Frau. Diese flüsterte ihr zu, sie sollte ihm nicht satt zu essen geben und auf es los hauen und peitschen ohne Barmherzigkeit.
Marie befolgte den Rat und gerade eine Woche hernach fand sie morgens beim Erwachen ihr eigenes Kind wieder an ihrer Seite im Bette liegen. Dem Elfen, der an die Stelle des Kindes gelegt war, hatte die Behandlung der Marie Scannell, wozu sie sich, obgleich sie eine mitleidige Frau war, entschlossen hatte, schlecht gefallen, und er machte sich, nachdem er es eine Woche versucht, wieder fort und schickte der Frau ihr eigenes Kind zurück.