Blaubart
Märchen
Ein Märchen der Brüder Grimm
In einem Walde lebte ein Mann, der hatte drei Söhne und eine schöne
Tochter. Einmal kam ein goldener Wagen mit sechs Pferden und einer Menge
Bedienten angefahren, hielt vor dem Haus still, und ein König stieg aus und bat
den Mann, er möchte ihm seine Tochter zur Gemahlin geben. Der Mann war froh,
dass seiner Tochter ein solches Glück widerfuhr, und sagte gleich ja; es war
auch an dem Freier gar nichts auszusetzen, als dass er einen ganz blauen Bart
hatte, so dass man einen kleinen Schrecken kriegte, sooft man ihn ansah. Das
Mädchen erschrak auch anfangs davor und scheute sich, ihn zu heiraten, aber auf
Zureden ihres Vaters willigte es endlich ein. Doch weil es so eine Angst
fühlte, ging es erst zu seinen drei Brüdern, nahm sie allein und sagte:
"Liebe Brüder, wenn ihr mich schreien hört, wo ihr auch seid, so lasst
alles stehen und liegen und kommt mir zu Hülfe." Das versprachen ihm die
Brüder und küssten es. "Leb wohl, liebe Schwester, wenn wir deine Stimme
hören, springen wir auf unsere Pferde und sind bald bei dir." Darauf
setzte es sich in den Wagen zu dem Blaubart und fuhr mit ihm fort. Wie es in
sein Schloss kam, war alles prächtig, und was die Königin nur wünschte, das
geschah, und sie wären recht glücklich gewesen, wenn sie sich nur an den blauen
Bart des Königs hätte gewöhnen können, aber immer, wenn sie den sah, erschrak
sie innerlich davor. Nachdem das einige Zeit gewährt, sprach er: "Ich muss
eine große Reise machen, da hast du die Schlüssel zu dem ganzen Schloss, du
kannst überall aufschließen und alles besehen, nur die Kammer, wozu dieser
kleine goldene Schlüssel gehört, verbiet ich dir; schließt du die auf, so ist
dein Leben verfallen." Sie nahm die Schlüssel, versprach ihm zu gehorchen,
und als er fort war, schloss sie nacheinander die Türen auf und sah so viel
Reichtümer und Herrlichkeiten, dass sie meinte, aus der ganzen Welt wären sie
hier zusammengebracht. Es war nun nichts mehr übrig als die verbotene Kammer,
der Schlüssel war von Gold, da gedachte sie, in dieser ist vielleicht das
Allerkostbarste verschlossen; die Neugierde fing an, sie zu plagen, und sie
hätte lieber all das andere nicht gesehen, wenn sie nur gewusst, was in dieser
wäre. Eine Zeitlang widerstand sie der Begierde, zuletzt aber ward diese so
mächtig, dass sie den Schlüssel nahm und zu der Kammer hinging: "Wer wird
es sehen, dass ich sie öffne," sagte sie zu sich selbst, "ich will
auch nur einen Blick hineintun." Da schloss sie auf, und wie die Türe
aufging, schwamm ihr ein Strom Blut entgegen, und an den Wänden herum sah sie
tote Weiber hängen, und von einigen waren nur die Gerippe noch übrig. Sie
erschrak so heftig, dass sie die Türe gleich wieder zuschlug, aber der
Schlüssel sprang dabei heraus und fiel in das Blut. Geschwind hob sie ihn auf
und wollte das Blut abwischen, aber es war umsonst, wenn sie es auf der einen
Seite abgewischt, kam es auf der andern wieder zum Vorschein; sie setzte sich
den ganzen Tag hin und rieb daran und versuchte alles Mögliche, aber es half
nichts, die Blutflecken waren nicht herabzubringen; endlich am Abend legte sie
ihn ins Heu, das sollte in der Nacht das Blut ausziehen. Am andern Tag kam der
Blaubart zurück, und das erste war, dass er die Schlüssel von ihr forderte; ihr
Herz schlug, sie brachte die ändern und hoffte, er werde es nicht bemerken, dass
der goldene fehlte. Er aber zählte sie alle, und wie er fertig war, sagte er:
"Wo ist der zu der heimlichen Kammer?" Dabei sah er ihr in das
Gesicht. Sie ward blutrot und antwortete: "Er liegt oben, ich habe ihn
verlegt, morgen will ich ihn suchen." - "Geh lieber gleich, liebe
Frau, ich werde ihn noch heute brauchen." - "Ach ich will dir's nur
sagen, ich habe ihn im Heu verloren, da muss ich erst suchen." - "Du
hast ihn nicht verloren," sagte der Blaubart zornig, "du hast ihn
dahin gesteckt, damit die Blutflecken herausziehen sollen, denn du hast mein
Gebot übertreten und bist in der Kammer gewesen, aber jetzt sollst du hinein,
wenn du auch nicht willst." Da musste sie den Schlüssel holen, der war
noch voller Blutflecken. "Nun bereite dich zum Tode, du sollst noch heute
sterben," sagte der Blaubart, holte sein großes Messer und führte sie in den
Haus-Flur. "Lass mich nur noch vor meinem Tod mein Gebet tun," sagte
sie. "So geh, aber eil dich, denn ich habe keine Zeit lang zu
warten." Da lief sie die Treppe hinauf und rief, so laut sie konnte, zum
Fenster hinaus: "Brüder, meine lieben Brüder, kommt, helft mir!" Die
Brüder saßen im Wald beim kühlen Wein, da sprach der jüngste: "Mir ist,
als hätte ich unserer Schwester Stimme gehört; auf! wir müssen ihr zu Hülfe
eilen!" Da sprangen sie auf ihre Pferde und ritten, als wären sie der
Sturmwind. Ihre Schwester aber lag in Angst auf den Knien; da rief der Blaubart
unten: "Nun, bist du bald fertig?" Dabei hörte sie, wie er auf der
untersten Stufe sein Messer wetzte; sie sah hinaus, aber sie sah nichts als von
Ferne einen Staub, als kam eine Herde gezogen. Da schrie sie noch einmal:
"Brüder, meine lieben Brüder! kommt, helft mir!" Und ihre Angst ward
immer größer. Der Blaubart aber rief: "Wenn du nicht bald kommst, so hol
ich dich, mein Messer ist gewetzt!" Da sah sie wieder hinaus und sah ihre
drei Brüder durch das Feld reiten, als flögen sie wie Vögel in der Luft, da
schrie sie zum dritten Mal in der höchsten Not und aus allen Kräften:
"Brüder, meine lieben Brüder! kommt, helft mir!" Und der jüngste war
schon so nah, dass sie seine Stimme hörte: "Tröste dich, liebe Schwester,
noch einen Augenblick, so sind wir bei dir!" Der Blaubart aber rief:
"Nun ist's genug gebetet, ich will nicht länger warten, kommst du nicht,
so hol ich dich!" - "Ach! nur noch für meine drei lieben Brüder lass
mich beten." Er hörte aber nicht, kam die Treppe heraufgegangen und zog
sie hinunter, und eben hatte er sie an den Haaren gefasst und wollte ihr das
Messer in das Herz stoßen, da schlugen die drei Brüder an die Haustüre, drangen
herein und rissen sie ihm aus der Hand, dann zogen sie ihre Säbel und hieben
ihn nieder. Da ward er in die Blutkammer aufgehängt zu den anderen Weibern, die
er getötet, die Brüder aber nahmen ihre liebste Schwester mit nach Haus, und
alle Reichtümer des Blaubarts gehörten ihr.
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